
Vergangenen Freitag habe er von kurz nach sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends damit zugebracht, sieben lebensbedrohlich erkrankte Kinder deutschlandweit auf Intensivstationen unterzubringen und zu verlegen, berichtete Dr. med. Michael Sasse gestern Abend im 50. Live-Talk der Ärztekammer Niedersachsen. Der leitende Oberarzt von der Kinderintensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover und die in einer Praxis in Syke bei Bremen niedergelassene Kinder- und Jugendärztin Angela Schütze-Buchholz – darüber hinaus Vizepräsidentin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – sprachen mit Ärztekammer-Kommunikationschef Thomas Spieker über den aktuell herrschenden Notstand in der Kinder- und Jugendmedizin.
Infektionswellen mit dem RS-Virus oder auch Grippewellen wie in diesem Winter seien allerdings nicht ungewöhnlich und kämen immer wieder einmal vor, waren sich Schütze-Buchholz und Sasse einig: „Doch jetzt trifft diese Welle auf ein schwer angeschlagenes System – und das überfordert eigentlich alle“, sagte Sasse. „Wir haben wesentlich weniger Kapazitäten an ganz vielen Stellen“, pflichtete Schütze-Buchholz dem Leiter des Pädiatrischen Intensivnetzwerks Norddeutschland (PIN) bei. Da sei zwar die Idee zu begrüßen, in Bremen eine Kinderimpfstation zu einer Arztpraxis für Kinder und Jugendliche auszubauen: „Aber wo nehmen sie dann das Personal her?“, fragte die Ärztin – es fehle doch schon jetzt an Mitarbeitenden in den Praxen.
Je ländlicher die Region, desto größer der Personalmangel – auch in diesem Punkt waren sich die beiden Talkgäste einig. Der Speckgürtel der Großstädte wie Hannover und Bremen oder auch Kliniken wie die Medizinische Hochschule Hannover seien noch gut versorgt. Trotzdem sahen Sasse und Schütze-Buchholz auch in der reformierten Ausbildung der Pflegeberufe ein Problem, denn wer sich auf Kinderkrankenpflege spezialisieren wolle, müssen nach der regulären Ausbildung noch einmal zusätzlich Zeit investieren: „Das ist ein Riesenproblem“, sagte Schütze-Buchholz, die außerdem glaubt, die Kinderbetreuung sei eine wesentliche Stellschraube bei der Personalnot im Gesundheitswesen: „Wir brauchen flexiblere Betreuungsmodelle für Kinder“, forderte die Ärztin, denn viele Frauen könnten nicht arbeiten, weil sie ihr Kind pünktlich um 16 Uhr bei der Kita abholen müssten.
Den gesamten Live-Talk können Sie über den YouTube-Kanal oder die Webseite der ÄKN aufrufen. Darüber hinaus können Sie alle bisherigen Folgen auch auf YouTube ansehen: Seit März 2020 veranstaltet die ÄKN regelmäßig Live-Talks zu aktuellen Themen mit Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Medizin.
Sie haben einen Themenvorschlag oder eine konkrete Frage, die wir im Talk besprechen sollten? Schreiben Sie uns gern eine E-Mail an kommunikation(at)aekn.de.
Sie möchten zudem aktuelle Informationen und Neuigkeiten von der ÄKN erhalten? Dann schauen Sie doch mal auf unseren Social-Media-Kanälen Facebook und Twitter vorbei.
Kontakt: Thomas Spieker, Leiter Kommunikation und Pressesprecher der Ärztekammer Niedersachsen
Telefon: 0511 380-2220, E-Mail: kommunikation(at)aekn.de