Seit dem Jahr 2000 wird das Projekt Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover vom Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ) der Ärztekammer Niedersachsen systematisch und datenbasiert evaluiert. Das niedrigschwellige Versorgungsangebot wurde bereits im Jahr 1999 auf Initiative der Ärztekammer Niedersachsen, gemeinsam mit dem Caritasverband Hannover e.V. und dem Diakonischen Werk Stadtverband Hannover e.V. ins Leben gerufen, um die Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen zu verbessern. Von Beginn an war es ein Ziel, den Bedarf für das Projekt zu erheben und es kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Aus den ersten zehn Jahren des Projektes liegen Evaluationsergebnisse vor, die in der Studie "10 Jahre Evaluation - Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover" veröffentlicht worden sind.

In dem Projekt "Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover" werden seit 1999 Menschen versorgt, die durch individuelle oder gesellschaftliche Zugangsbarrieren die medizinischen Leistungen des Regelversorgungssystems nicht in Anspruch nehmen (können). Initiiert wurde das Projekt von der Ärztekammer Niedersachsen, mitgetragen wird es von dem Caritasverband Hannover e.V. und dem Diakonischen Werk Stadtverband Hannover e.V. Die wöchentlich stattfindenden ärztlichen Sprechstunden werden in mobilen und ortsgebundenen Behandlungsstätten der Caritas und der Diakonie durchgeführt, wobei ärztliche Leistungen und Verbandsmaterial bei versicherten Patienten aufgrund der Ermächtigung zur Institutsambulanz abgerechnet werden können. Die Leistungen werden von den Projektbeteiligten weitgehend ehrenamtlich erbracht und die Erträge fließen zurück in das Projekt.

Ziel des Projektes ist es, eine niedrigschwellige Versorgung anzubieten, um den Betroffenen eine medizinische Grundversorgung zu ermöglichen. Darüber hinaus soll den Patienten der Zugang zur Regelversorgung und anderen Hilfesystemen erleichtert werden mit dem weiterführenden Ziel, ganz in die Regelversorgung zu wechseln.

Evaluation
Um das Projekt zielgerichtet zu lenken und kontinuierlich weiterentwickeln zu können, wird seit 2000 eine Evaluation des Versorgungsgeschehens auf der Basis einer Erhebung der Behandlungsfälle durch das Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ), Einrichtung der Ärztekammer Niedersachsen durchgeführt.

Ziele der Evaluation des Projektes:

  • Das Projekt im Sinne des Qualitätsmanagements steuern: effektiver und effizienter Einsatz der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen.
  • Den Bedarf für das Versorgungsangebot systematisch erheben, um das Konzept unter Berücksichtigung sich verändernder Rahmenbedingungen und Anforderungen ("Armutsbevölkerung") kontinuierlich und zielgerichtet anpassen und somit zur Qualitätsverbesserung beizutragen.
  • Zahlenbasierte Weiterentwicklung der niedrigschwelligen ärztlichen Versorgung, um eine adäquate medizinische Grundversorgung zu gewährleisten und somit zu einer generellen Verbesserung der medizinischen Versorgung für soziale Randgruppen beitragen.
  • Analysieren, in wie weit die Patienten an adäquate Versorgungsstrukturen im Regelsystem weitergeleitet werden können.
  • Zahlen, Daten und Fakten zu gesellschaftlich relevanten Thema bereit stellen als Diskussions- und Handlungsgrundlage für die Politik und weitere Akteure im Gesundheits- und Sozialbereich.
  • Evaluation und Qualitätsmanagement als Beispiel für andere Projekte zur gezielten Steuerung und Qualitätsverbesserung.
  • Evaluation zusätzlicher Versorgungsangebote:
    • Niedrigschwellige Suchtarbeit mit wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Menschen
    • Regelmäßige psychiatrische Sprechstunde in Wohnungsloseneinrichtungen Hannovers
    • Zahnmobil – Hilfe mit Biss (in Vorbereitung)

Die Versorgungssituation wird vor Ort an den Behandlungsstätten anhand von Dokumentationskarten im Format DIN A 5 erfasst, die bei jedem Behandlungskontakt von den Ärzten, z.T. mit Unterstützung durch das Pflegepersonal, anonymisiert ausgefüllt und zur Auswertung und Analyse an das ZQ geschickt werden. Auf den Dokumentationskarten werden neben soziodemographischen Parametern wie Alter, Geschlecht, sozialer Hintergrund und Versicherungsstatus auch die Grunderkrankungen der Patienten, der Anlass des Besuchs und die durchgeführten Therapien erhoben.

Die Ergebnisse der Evaluation werden auf mindestens einmal jährlich stattfindenden Treffen vom ZQ vorgestellt und mit den Projektbeteiligten der verschiedenen Berufsgruppen und Einrichtungen besprochen, reflektiert, diskutiert und bewertet. Entsprechend der klassischen Vorgehensweise des Qualitätsmanagements (Plan-Do-Check-Act) werden Maßnahmen abgeleitet. Somit ist eine zielgerichtete und bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Projektes gewährleistet.

Weitere Informationen:  Dokumentationskarten (pdf-Datei, 158 KB)

Verena von Friedrichs, M.A. (Projektleitung)
Leitung Projektmanagement

Dr. med. Cornelia Goesmann (Initiatorin)
Ehemalige Vorsitzende der Bezirksstelle Hannover
www.aekn.de/bezirksstelle-hannover

www.caritas-hannover.de

www.diakonisches-werk-hannover.de

www.qualitaetsinitiative.de

Evaluationsergebnisse 2000 bis 2010

Aus den ersten zehn Jahren des Projektes liegen Evaluationsergebnisse vor:

  • Es zeigt sich eine steigende Inanspruchnahme der ärztlichen Sprechstunden im Rahmen des Projekts mit einer Zunahme der Behandlungsfälle pro Jahr um 90% auf ca. 2.300 Arzt-Patient-Kontakte.
  • Weniger wohnungslose Behandlungsfälle (ohne festen Wohnsitz = "auf Platte") (2010-2011: ~11%) nehmen die medizinische Versorgung in Anspruch, sondern vermehrt Menschen aus der sogenannten "Armutsbevölkerung", die sich Praxisgebühr oder Zuzahlungen vermutlich nicht leisten können.
  • Veränderung der zu behandelnden Krankheitsbilder: Patienten/Patientinnen kommen nicht mehr hauptsächlich mit Hauterkrankungen (in 2010: 10%) oder Verletzungen (in 2010: 7%), sondern überwiegend aufgrund von chronischen Leiden, wie psychische Erkrankungen (in 2010: 14%) oder Herz-Kreislauf-Krankheiten (in 2010: 17%).
  • Über 50% der behandelten Patienten leiden an mindestens einer Grunderkrankung.
  • Ältere Frauen suchen häufiger und wiederholt das medizinische Angebot auf: der Anteil über 50-Jähriger hat deutlich zugenommen (von 25% auf 47%).
  • Ein Zugang zum Regelversorgungssystem kann immer besser hergestellt werden, d.h. die Zahl der Überweisungen konnte gesteigert werden (von 4% auf 18%).

Evaluationsergebnisse 2011 bis 2012

  • Die Zahl der Behandlungsfälle steigt weiter an.

    Große Ansicht ...

  • Von allen Besuchen im Jahr 2011 war in 71% der Fälle angegeben, dass mindestens eine Grunderkrankung  bekannt sei. Besonders bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen scheint ein gesteigerter Bedarf zu bestehen.
  • Bei  54% der Dokumentationskarten aus dem Jahr 2011 wurde eine Angabe zum Status der Wohnungslosen- bzw.  Regelversorgung gemacht (22% unbekannt, 24% keine Angabe). Bei diesen Fällen zeigte sich, dass 50% der Behandlungsfälle nur in der WV-Versorgung betreut werden. Die andere Hälfte wechselt zwischen Regelversorgung und Wohnungslosenversorgung.
  • Bei 63% der Fälle war primär ein organisatorischer Anlass (Kostenübernahmen)  als Grund des Besuchs angegeben. Davon wurden 44% der Fälle vorstellig, um sich ein Rezept ausstellen zu lassen. Die Kosten dabei wurden größtenteils (> 90%) übernommen.

Evaluationsergebnisse 2013 bis 2014

  • In den Jahren 2013/2014 ist die Zahl der Behandlungsfälle in der Wohnungslosenversorgung leicht gesunken.
  • Von 2012 auf 2014 stieg der Anteil der NICHT in Deutschland gesetzlich Versicherten Behandlungsfälle um 13%.
  • Die Zahl der Fälle, die nicht in einer eigenen Wohnung sondern „auf Platte“ leben ist seit 2012 stetig gestiegen [9,6% (2012) -> 14,7% (2013) -> 18,6% (2014)]. Die Anzahl der Fälle mit einer eigenen Wohnung sank in dem selben Zeitraum um fast 10%.

Das Projekt zur medizinischen Versorgung Wohnungsloser läuft kontinuierlich seit 1999 und wird seit 2000 nachhaltig evaluiert. Das zu Grunde liegende Prinzip der Evaluation (Messen => Analysieren => Bewerten), also "klassisches Qualitätsmanagement" im Sinne des PDCA-Zyklus unterstützt das Projekt dabei, die knappen finanziellen Mittel und weitere Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen, um das Projekt weiterzuentwickeln. Diese bewährte Methode begleitet das Projekt auch weiterhin.

Aus den Ergebnissen der letzten Jahre lässt sich ableiten, dass es einen veränderten Bedarf bezüglich der versorgten Patientengruppe zu geben scheint (Tendenz zur "Armutsbevölkerung"). Diese Erkenntnisse haben zu einer Anpassung des Dokumentationsinstruments (Dokumentationskarte) geführt. Im Jahr 2010 wurde zunächst eine neue Dokumentationskarte mit erweiterter Erfassung in Gebrauch genommen, so dass seit 2011 weitere Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Ziel hierbei war es, bezüglich bestimmter Fragestellung (z.B. soziodemografische Daten des Patientenklientels) differenziertere Aussagen treffen zu können. Nach Abschluss des 2012er Jahrgangs konnten bezüglich dieser und anderer Fragestellungen Daten im Verlauf von zwei Jahren ausgewertet und interpretiert werden. Im Januar 2013 wurde schließlich eine weitere Überarbeitung der Dokumentionskarte vorgenommen, um eine noch optimalere Auswertung der erforderlichen Parameter gewährleisten zu können.

Die Evaluation des Projektes für das Jahr 2014 ist abgeschlossen. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Projekt-Treffens vorgestellt und diskutiert. Es zeigte sich hierbei deutlich, dass besonders das Thema Versorgung von Migranten in der Wohnungslosenversorgung zukünftig weiter an Bedeutung zunehmen wird.

Veröffentlichungen

Sämtliche Veröffentlichungen des Projektes sind hier nach Kategorien - chronologisch absteigend - gelistet.

Einzelne Beiträge können bei der Ansprechpartnerin angefordert werden.

 

Vorträge

2015

„Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover“ – Ein neuer Auswertungsansatz
Posterpräsentation Kongress Armut & Gesundheit, Berlin

2014

Wohnungslose Frauen in der „Aufsuchenden Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover“ – Zahlen, Daten, Fakten
Lions Talk Hannover Aegideon, Hannover

2012

Zahlen, Daten, Fakten – Evaluation der "Aufsuchenden medizinischen Versorgung für Wohnungslose in Hannover" – Erste Ergebnisse für 2011
Fachtagung des Vereins "Medizinische Hilfe für Wohnungslose im Kreis Pinneberg", Elmshorn
  
10 Jahre Evaluation der "Aufsuchenden medizinischen Versorgung für Wohnungslose in Hannover" – Relevanz für die Armutsbevölkerung
17. Kongress für Armut und Gesundheit, Berlin

2011

Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose in Hannover
Bundestagung 2011 der BAG Wohnungslosenhilfe e.V., Leipzig

Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose in Hannover
6. Kooperationsveranstaltung der Ärztekammer Hamburg und des Regionalen Knoten "Wohnungslosigkeit und Gesundheit" der HAG, Hamburg

2010

Evaluation des Projektes: Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose in Hannover
16. Kongress für Armut und Gesundheit, Berlin
   
Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose in Hannover – Bedarf, Qualität und Patientensicherheit
9. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, Bonn

 

Artikel

2014

Wohnungslose - "Sucht zum Thema machen"
Neubacher U.; Bartels R.; Lührs V.; Fachzeitschrift wohnungslos; Ausgabe 1. Quartal 2015

Wohnungslose - Ein neuer Auswertungsansatz
Bartels R.; Niedersächsisches Ärzteblatt; Ausgabe 06/2015

2012

Anforderungen an die Gesundheitsversorgung sozialer Randgruppen: Eine Evaluation der medizinischen Versorgung für Wohnungslose in Hannover über zehn Jahre
Jana Meidl; Paul Wenzlaff; Brigitte Sens; Cornelia Goesmann; 2012; Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen; Jahrgang 106, Heft 9

Möglichkeiten und Grenzen - Evaluation der "Aufsuchenden Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover"
Lührs, V.; 2012; Niedersächsisches Ärzteblatt; Ausgabe 07/2012

2011

10 Jahre Evaluation der "Aufsuchenden Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover" - Daten und Fakten zur aktuellen und für die zukünftige Gesundheitsversorgung
Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ)

Evaluation der "Aufsuchenden medizinischen Versorgung für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Hannover" über einen Zeitraum von zehn Jahren
Meidl, J.; Wenzlaff, P.; Goesmann, C; Fachzeitschrift wohnungslos; Ausgabe 3. Quartal 2011

2010

Aufsuchende Gesundheitsfürsorge für Wohnungslose in Hannover
Meidl, J.; 2010; Niedersächsisches Ärzteblatt, Ausgabe 03/2010

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