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Hannover,

Unabhängigkeit der Ethikkommissionen in Gefahr

Mit großer Mehrheit haben sich die Delegierten der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen gegen das von der Bundesregierung geplante Medizinforschungsgesetz ausgesprochen. Parallel zu den bisher unabhängig arbeitenden Ethikkommissionen soll demnach eine dem Bundesgesundheitsministerium unterstellte bundesweit agierende Kommission eingesetzt werden. Die Ärztekammer Niedersachsen sieht die Gefahr der politischen Einflussnahme.

Einstimmiges Votum: Die Ärztekammer Niedersachsen ist gegen die aktuellen Pläne zur Einrichtung einer bundesweiten Ethikkommission. Foto: Christian Burkert / ÄKN

Rund 30 Ethikkommissionen in Deutschland überwachen derzeit die Zulassungen zur klinischen Prüfung im Rahmen der Arzneimittelforschung – sprich, der Durchführung von Studien unter Beteiligung freiwilliger Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Forschende Pharmaunternehmen stellen hierfür einen Antrag bei einer der Kommissionen und erhalten von dieser eine bundesweit gültige Zulassung oder Ablehnung. Parallel zu diesem unabhängigen Prüfsystem will die Bundesregierung eine Bundes-Ethikkommission unter dem Dach des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufbauen – und damit wäre sie eine nachgeordnete Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums. Einstimmighaben die 60 Delegierten der niedersächsischen Kammerversammlung jüngst eine Resolution gegen dieses Gesetzesvorhaben verabschiedet. „Eine von staatlichem Einfluss befreite ethische Bewertung ist das Fundament eines verlässlichen Patienten- und Probandenschutzes im Rahmen medizinischer Forschungsvorhaben“, unterstreicht Ärztekammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker. „Aus gutem Grunde – und gerade mit Blick auf die Erfahrungen im Dritten Reich – setzt die 1964 vom Weltärztebund verabschiedete und seitdem mehrfach weiterentwickelte Deklaration von Helsinki entsprechende ethische Standards für Forschung am Menschen.“

Demnach müssen Ethikkommissionen in der Lage sein, ihre Arbeit unabhängig von den Forschenden, den finanzierenden Unternehmen oder Organisationen und darüber hinaus frei von jeder anderen unzulässigen Beeinflussung verrichten zu können. Das seit Jahrzehnten in Deutschland bewährte System, in dem Forschungsvorhaben durch staatsferne Ethikkommissionen verpflichtend beurteilt werden, stellt dieses unabhängige Verfahren zur Wahrung der Rechte von Patientinnen und Patienten sowie Probandinnen und Probanden sicher. Ein Kernaspekt ist dabei, dass diese Kommissionen bei Institutionen der Selbstverwaltung, also selbstverwalteten Universitäten oder Landesärztekammern, angesiedelt sind.

Die geplante Errichtung einer Bundes-Ethikkommission beim BfArM als nachgeordnete und weisungsgebundene staatliche Behörde stellt diese Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben in Frage. Denn das Bundesgesundheitsministerium benennt nach dem im Referentenentwurf vorgesehenen Verfahren die Mitglieder der Kommission und genehmigt die Geschäftsordnung. Auch wenn die Geschäftsstelle der Bundes-Ethikkommission laut Entwurf des BfArM organisatorisch und inhaltlich unabhängig von der für die Genehmigung der klinischen Prüfung zuständigen Stelle eingerichtet werden soll, sieht die Ärztekammer Niedersachsen hier die Gefahr einer unmittelbaren politischen Einflussnahme auf die Entscheidungen der Bundes-Ethikkommission. „Mit den Prinzipien der ärztlichen Forschungsethik ist dies nicht vereinbar und aus diesem Grund kategorisch abzulehnen,“ betont Wenker.

Resolution der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen

Die Delegierten der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen lehnen den vorliegenden Referentenentwurf eines Medizinforschungsgesetzes des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz mit aller Entschiedenheit ab und warnen eindringlich vor einer politischen Einflussnahme auf medizinische  Forschung durch eine Bundes-Ethikkommission. 

Eine von staatlichem Einfluss unabhängige ethische Bewertung ist das Fundament eines verlässlichen Patienten- und Probandenschutzes im Rahmen medizinischer Forschungsvorhaben in Deutschland. Aus gutem Grunde – auch und gerade mit Blick auf die Erfahrungen im Dritten Reich - setzt die 1964 vom Weltärztebund verabschiedete und seitdem mehrfach weiterentwickelte Deklaration von Helsinki (DvH) ethische Standards für Forschung am Menschen, indem sie u. a. vorsieht, dass Ethikkommissionen „unabhängig vom Forscher, dem Sponsor und von jeder anderen unzulässigen Beeinflussung“ arbeiten müssen.

Das seit Jahrzehnten bewährte System der verpflichtenden Beurteilung von Forschungsvorhaben durch staatsferne Ethikkommissionen, die bei den selbstverwalteten Universitäten oder bei den selbstverwalteten Ärztekammern angesiedelt sind, stellt ein solches Verfahren zur Wahrung der Rechte von Patienten und Probanden dar.

Die geplante Errichtung einer Bundes-Ethikkommission beim Bundesinstitut für Arzneimitteln und Medizinprodukte (BfArM) – eine nachgeordnete Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – stellt diese Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben in Frage. Denn das BMG benennt nach dem im Referentenentwurf vorgesehenen Verfahren die Mitglieder der Kommission und genehmigt die Geschäftsordnung. Zudem wird die Möglichkeit einer direkten Durchgriffsmöglichkeit für das BMG eröffnet. Auch wenn nach den Gesetzesmaterialien die Geschäftsstelle der Bundes-Ethik-Kommission im BfArM organisatorisch und inhaltlich unabhängig von der für die Genehmigung der klinischen Prüfung zuständigen Stelle eingerichtet werden soll, kann das von der Gefahr einer unmittelbaren politischen Einflussnahme auf die Entscheidungen der Bundes-Ethikkommission nicht ablenken. Dies ist mit den Prinzipien der ärztlichen Forschungsethik nicht vereinbar und aus diesem Grunde kategorisch abzulehnen. 

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Über die Ärztekammer Niedersachsen
Die Ärztekammer Niedersachsen ist die standesrechtliche Vertretung der mehr als 45.000 Ärztinnen und Ärzte im Flächenland Niedersachsen. Sie nimmt in Selbstverwaltung öffentliche Aufgaben im Gesundheitswesen wahr und erfüllt zugleich weisungsgebunden staatliche Aufgaben. Außerdem setzt sie sich für eine qualitativ hochwertige ärztliche Fort- und Weiterbildung ein und betreut die Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten.

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Pressesprecher
Telefon: 0511 3802-2104
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