

Hannover, den 27. Mai 2024. Angesichts des unmenschlichen Angriffskriegs, den Russland seit dem 22. Februar 2022 gegen die Ukraine führt, ist die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 ein wenig in den Hintergrund getreten. Damals wurden Teile der Ukraine, aber auch Weißrusslands und Russlands verstrahlt. In der Folge erkrankten in den betroffenen Gebieten äußerst viele Kinder an Schilddrüsenkrebs, der heilbar ist, wenn er rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird. Um diesen Kindern zu helfen, beschloss der Niedersächsische Landtag 1992 fraktionsübergreifend und einstimmig, die Landesstiftung „Kinder von Tschernobyl“ zu gründen.
Der Ausbruch des Krieges 2022 machte es der Stiftung aber unmöglich, die betroffenen Gebiete und die dortigen Krankenhäuser weiter wie zuvor zu unterstützen. Die Stiftung hat daher inzwischen ihren Zweck ausgeweitet, um zusätzlich Hilfeleistungen für durch den Krieg versehrte und traumatisierte Kinder anzubieten. In den vergangenen beiden Jahren wurden bereits einige Kinderkliniken in der Westukraine unterstützt.
Dr. med. Thomas Buck, Vorsitzender des Kuratoriums der Landesstiftung „Kinder von Tschernobyl“ und in Hannover niedergelassener Kinder- und Jugendarzt, plant nun darüber hinaus, Coachings für ukrainische Erzieherinnen, Erzieher sowie Lehrkräfte anzubieten, um sie in die Traumaarbeit einzuführen: „Wir wollen eine Online-Akademie gründen, um spezielle Schulungen und Ressourcen bereitzustellen, die es Betreuerinnen und Betreuern ermöglichen, Kriegstraumata bei Kindern zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.“
Anlässlich des Benefizkonzerts am 25. Mai 2024 im neuen Gebäude der Landesgeschäftsstelle der Ärztekammer Niedersachsen, das der finanziellen Unterstützung solcher Coachings gewidmet war, würdigten eine Reihe von Mitgliedern des Stiftungskuratoriums – allen vorweg Hanna Naber, Präsidentin des niedersächsischen Landtags, die Arbeit der Stiftung: „Ich hätte es schöner gefunden, wenn der Stiftungszweck erloschen wäre“, räumte Naber ein, aber die Realität sehe anders aus: Der Krieg bedeute für die ukrainischen Kinder Vertreibung aus der Heimat, ein Leben im Bombenkeller, Verlust von Angehörigen und vielfach Traumatisierungen. „Diese Kinder brauchen unsere Hilfe“, sagte Naber und dank der Landesstiftung sei es möglich, den Menschen in der Ukraine zu signalisieren: „Wir lassen Sie nicht im Stich!“
„Seit mehr als 30 Jahren leistet die Stiftung vor allem medizinische Hilfe für strahlengeschädigte Kinder“, pflichtete Dr. med. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung und ebenfalls Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Kinder von Tschernobyl“ seiner Vorrednerin bei. Nun gelte es, sich um die gesundheitlichen Folgen des Kriegs zu kümmern: „Die Stiftung plant, gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen vor Ort, pädagogische Fachkräfte mit Tools und Wissen auszustatten, um Traumata bei Kindern zu erkennen und für den Umgang mit traumatisierten oder psychisch belasteten Kindern zu schulen“, berichtete der Minister und fuhr fort: „Hierfür benötigt die Stiftung Unterstützung, denn mit jeder zusätzlichen Spende können wir mehr Hilfe in die Ukraine senden und mehr Kinder erreichen.“
„Bereits in der Vergangenheit hat die niedersächsische Ärzteschaft gemeinsam mit der Stiftung medizinische Hilfe für die Kinder in den Gebieten geleistet, die von der Reaktorkatastrophe besonders betroffen waren“, erinnerte Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und ebenfalls Kuratoriumsmitglied, etwa an das Engagement von Professor Dr. med. Heyo Eckel. Der langjährige Kuratoriumsvorsitzende und frühere Ärztekammerpräsident hat zahllose Reisen in die verschiedenen Regionen unternommen und als Radiologe vor Ort Unterstützung geleistet sowie organisiert. Nun sei nach dem russischen Überfall Hilfe für die Jüngsten wichtiger denn je, betonte Wenker: „Unterstützen Sie gemeinsam mit uns die Kinder, die erneut die Leidtragenden einer Katastrophe sind.“
An die Grußworte schloss sich ein Konzert mit Werken von Johannes Brahms, Max Bruch, Clara Schumann und Paul Juon an. Es spielten Anushka Cidlinsky (Viola), Leonid Gorokhov (Cello) und Jamie Bergin (Klavier). Die Moderation übernahm der Kinderchirurg Professor Dr. med. Benno Ure, der gemeinsam mit Rainer Schmitz den Band „Wie Mozart in die Kugel kam: Kurioses und Überraschendes aus der Welt der klassischen Musik“ veröffentlicht hat.