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Hannover,

Niedersächsische Initiative zum Bürokratieabbau in Kliniken

Gemeinsamer Appell von Gesundheitsminister Dr. Philippi, Krankenhausgesellschaft und Ärztekammer an den Bund – Ressourcen für die Patientenversorgung durch Entlastung des Personals freisetzen – Reform darf Bürokratielast nicht erhöhen

Foto: M. Meyer / MS

In niedersächsischen Krankenhäusern verbringen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte durchschnittlich rund drei Stunden täglich mit Dokumentationsarbeiten, die häufig keinen Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben. Drei Stunden pro Tag entsprechen 5.058 von 14.110 ärztlichen Vollkräften (36 %) und 10.920 von 32.250 Vollkräften (33 %) im Pflegedienst. Diese Fachkräfte stehen in der Zeit, in der sie Bürokratiepflichten erfüllen müssen, nicht der Patientenversorgung zur Verfügung. Wenn die bürokratische Arbeit um nur eine Stunde pro Tag verringert würde, könnten rechnerisch mehr als 1.700 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 4.000 Vollkräfte im Pflegedienst freigesetzt werden. 

Darauf haben Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi, die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) und die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) heute gemeinsam im Rahmen einer Pressekonferenz hingewiesen. Die niedersächsische Initiative zum Bürokratieabbau in den Krankenhäusern verfolgt das Ziel, die Dokumentations- und Nachweispflichten zu reduzieren, medizinisches und pflegerisches Personal zu entlasten und somit mehr Zeit für die Versorgung von Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Erforderlich hierfür sind eine stärkere Bürokratiefolgenabschätzung seitens des Gesetzgebers, ausreichende Umsetzungsfristen sowie das Vorantreiben der Digitalisierung, um Bürokratielasten gezielt zu vermindern. Die Beteiligten appellierten an Bundesgesundheitsminister Lauterbach, ein bereits vor Monaten in Aussicht gestelltes Gesetz zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Bereits im September 2023 wurden in Niedersachsen gemeinsame Vorschläge sowie konkrete Forderungen zum Bürokratieabbau vorgestellt und dem Bundesgesundheitsminister übermittelt. 

„Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in die Leistung der Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken. Mehr Vertrauen ist gleich weniger Komplexität. Es kann nicht sein, dass über ein Drittel der Arbeitszeit des ärztlichen und pflegerischen Personals für Meldungen an die unterschiedlichsten Stellen im Bürokratiedschungel des Gesundheitswesens aufgewendet wird. Als Niedersächsische Initiative zum Bürokratieabbau in den Kliniken fordern wir eine Schubumkehr: Alle bestehenden und geplanten Dokumentations- und Nachweisverpflichtungen müssen auf den Prüfstand. Eine Bürokratiefolgenabschätzung vor jedem neuen Gesetz muss Standard sein bei jeder neuen Verordnung und jeder neuen Richtlinie. Außerdem müssen wir bestehende und verfügbare Daten stärker nutzen, anstatt die Krankenhäuser mit ständig neuen Abforderungen zu belasten. Herr Lauterbach, machen sie ernst mit dem Bürokratieabbau in den Krankenhäusern! 
Nutzen Sie die Krankenhausreform, um die Kliniken von unnötigem Ballast zu befreien! 
Leisten Sie einen Beitrag zum effizienten Personaleinsatz in Zeiten des Fachkräftemangels. 
Weniger Bürokratie ist gleich mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten!“, sagt Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi

„In Zeiten des Fachkräftemangels können wir uns eine Verschwendung von 
Arbeitskraft, die dringend im OP und am Krankenbett gebraucht wird, nicht mehr leisten. Durch eine konsequente Entbürokratisierung können wir das Fachkräfteproblem deutlich entschärfen. Die Bürokratie in den Kliniken muss auf ein Maß zurückgeführt werden, das effizient Qualität sichert. Aufwand und Nutzen von Dokumentationspflichten sind kritisch dahingehend zu hinterfragen, ob damit eine bessere Patientenversorgung erreicht wird. Keinesfalls darf Dokumentation ein Selbstzweck sein. Mit Blick auf die Krankenhausreform und Pläne des Bundes ist zu befürchten, dass die Bürokratielast für die Mitarbeitenden künftig sogar noch steigt. Der vorliegende Gesetzentwurf des Bundes baut in hohem Maß weitere Bürokratie auf“, sagt NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke.

„Die immer weiter ausufernden Dokumentationspflichten und der erhebliche Bürokratieaufwand belasten Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Fachpersonal in allen Bereichen enorm. Die dafür täglich aufzuwendende Zeit fehlt uns bei der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten“, betont die Präsidentin der ÄKN Dr. Martina Wenker. „Gerade in einer Zeit begrenzt zur Verfügung stehender Geldmittel müssen wir klug, zielgenau und verantwortungsvoll mit den Ressourcen umgehen. Deshalb ist es umso wichtiger, die überbordende Kontrollbürokratie, von der Patientinnen und Patienten nicht wirklich profitieren, zurückzufahren. Wir können jeden Cent nur einmal ausgeben und da muss die bestmögliche unmittelbare Gesundheitsversorgung der Bevölkerung die oberste Priorität haben“, so Dr. Wenker.

„Die Verpflichtungen der Krankenhäuser zu umfangreichen Datenlieferungen nehmen stetig zu. Eines der jüngsten Beispiele ist die Einführung des Implantateregisters. Gleichzeitig steigen auch die gesetzlichen Anforderungen an die Krankenhäuser, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Patientenversorgung stehen. So müssen auch die Kliniken die Anforderungen des Lieferkettengesetzes erfüllen oder sind verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen. Die entsprechende Finanzierung dieser zusätzlichen Aufgaben ist indes nirgends abgebildet. Darüber hinaus müssen die Behandlungen der Patienten minutiös dokumentiert werden, will man in der Abrechnung keine Abschläge riskieren. Das alles kostet Zeit, Geld und Motivation. Zeit, die für die Patienten nicht zur Verfügung steht. Geld, das angesichts der unzureichenden Finanzierung der Krankenhäuser, sowieso fehlt. Motivation, die bei den Klinikmitarbeitenden schwindet, weil sie ihrem originären Auftrag der Patientenbehandlung nicht in ausreichendem Maße nachkommen können und sich gleichzeitig einem ausgefeilten Kontrollsystem gegenüberstehend sehen, das ihnen immer wieder suggeriert, ihre Arbeit sei fehlerhaft“, ergänzt Dr. Alexander Poppinga, Vorstand Medizin Evangelisches Krankenhaus Oldenburg.

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