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Bericht zur Lage Hannover,

Präsidentin Dr. med. Martina Wenker fokussiert in ihrem Bericht zur Lage (7. Sitzung am 27. September 2017) drei aktuelle Themen der ärztlichen Berufspolitik


Präsidentin Dr. med. Martina Wenker fokussiert in ihrem Bericht zur Lage (7. Sitzung am 27. September 2017) drei aktuelle Themen der ärztlichen Berufspolitik: Die Reform des Heilpraktikerwesens, die Reform des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) und die integrative Notfallversorgung.

Am dritten Tag nach der Bundestagswahl standen die Mitglieder der Kammerversammlung noch ganz unter dem Eindruck der Wahlergebnisse in Berlin und der sich neu abzeichnenden politischen Konstellation. "Die Mehrheit der Deutschen freut sich auf die Jamaika-Koalition", erklärte die Kammerpräsidentin Dr. med. Martina Wenker eingangs ihres Berichts zur berufspolitischen Lage im Ärztehaus Hannover. Und darin bezog sie sicher auch einen großen Teil der Ärzteschaft mit ein.

Im Beisein von Ministerialrat Dr. Thomas Horn, Leiter des Referats Heilberufe aus dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, ging sie sogleich auf einige wesentliche Themen der aktuellen ärztlichen Berufspolitik ein.

Anknüpfend an die Beschlüsse des 120. Deutschen Ärztetags in Freiburg forderte Wenker auch in Hannover eine Reform des Heilpraktikerwesens. Von den zulässigen Tätigkeiten der Heilpraktiker müsse der Gesetzgeber alle invasiven Maßnahmen sowie die Behandlung von Krebserkrankungen ausschließen. "Wir müssen die Patienten davor schützen, dass sie womöglich falsch behandelt werden!", erklärte die Präsidentin. Bei Krankheiten, die vermutlich über eine Befindlichkeitsstörung hinausgehen, sei es unabdingbar, dass der Heilpraktiker den Kranken zum Arzt schickt. Heilpraktiker übten "keinen Gesundheitsfachberuf" aus. Sie stünden somit außerhalb der sonst im Gesundheitswesen geltenden Anforderungen an klar definierte fachliche Qualifikationen auf der Basis fundierter Standards und an eine hohe Qualität und Sicherheit in der Patientenversorgung. Die Politik müsse hier neue Rahmenbedingungen setzen.

Kritisch bewertete Wenker die noch von der bisherigen Regierung geplante Reform des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG). Sie warnte vor Versuchen, ärztliche Aufgaben an nicht-ärztliche Berufe zu übertragen. Die ärztliche Expertise sei im Interesse der Versorgungsqualität für eine evidenzbasierte Psychotherapie unverzichtbar. "Zum Beispiel benötigt die Verordnung mit Medikamenten in jedem Fall ärztliche Kompetenz", erläuterte die Präsidentin und ergänzte: "Körper, Geist und Seele sind unmittelbar miteinander verknüpft." Bei der vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) angekündigten Novellierung der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten sei es von besonderer Bedeutung, den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie als bewährtes, von der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gemeinsam getragenes Gremium zu erhalten. Zu seinen Aufgaben zähle die gutachterliche Beratung von Behörden zu Fragen der wissenschaftlichen Anerkennung von psychotherapeutischen Verfahren. Das wiederum sei von Relevanz für die staatliche Anerkennung von Ausbildungsstätten.

Aus aktuellem Anlass stellte Wenker der Kammerversammlung die Inhalte eines jüngst veröffentlichten gemeinsamen Konzeptpapiers des Marburger Bunds (MB) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zum Thema "Integrative Notfallversorgung aus ärztlicher Sicht" vor. Bei einem Spitzentreffen in Berlin, an dem der Vorstand der KBV und mehrere Vorstandsmitglieder des MB teilnahmen, hatten beide Seiten vereinbart, Verantwortung für dieses Thema zu übernehmen. "Die Zusammenarbeit zwischen dem ambulanten und stationären Notfall-Bereich hat sich in vielen Modellprojekten und regionalen Kooperationen als geeignete Struktur in der Notfallversorgung bewährt. Die positiven Ansätze und Erfahrungen sollen nun perspektivisch flächendeckend in Deutschland eingeführt und umgesetzt werden", zitierte Wenker aus dem Konzeptpapier. Dies erfordere regionalen Gestaltungsspielraum. In Anbetracht der steigenden Anzahl und der Unterschiedlichkeit von Notfallpatienten hinsichtlich der Dringlichkeit als auch der Behandlungserfordernisse sei die Zusammenarbeit aller maßgeblichen Beteiligten notwendig. "Wesentlich ist die Sicherstellung des sich an die Notfallversorgung anschließenden Versorgungsangebots sowohl in der stationären als auch der ambulanten Versorgung", so Wenker.

Das Konzeptpapier nennt folgende entscheidende Ansatzpunkte:

  • Zentrierung der Strukturen durch Einrichtung gemeinsamer medizinischer Anlaufstellen durch die Vertrags-und Krankenhausärzteschaft grundsätzlich am Krankenhaus
  • Koordinierung der Behandlung durch Vernetzung beider Strukturen auch IT-technisch
  • Ersteinschätzung an allen primären Anlaufstellen, basierend auf einem einheitlichen System mit medizinisch fachlich geschultem Personal
  • Vernetzung aller telefonischen Anlaufstellen
  • Angebot der Koordination der über die unmittelbare Notfallbehandlung hinausgehende, weitere erforderliche Versorgung
  • Sicherstellung der erforderlichen Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst

Die Neuausrichtung der Notfallversorgung soll zu einer integrativen und damit passgenaueren und qualitativ besseren Versorgung führen. Um die Inhalte des fünfseitigen Konzeptpapiers von MB und KBV aus Sicht der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) im Detail zu bewerten, werde sich der Ausschuss für sektorenübergreifende Versorgung der Kammerversammlung jetzt intensiv damit beschäftigen. "Das Ziel ist dann eine konkrete regionale Anpassung, um die Notfallversorgung in Niedersachsen zukunftsweisend zu gestalten", kündigte Wenker an. Schon jetzt forderte sie die Politik dazu auf, eine verbindliche und gerechte Lösung für die Notfallversorgung im SGB V zu treffen. Eine deutliche Steigerung der für die Notfallversorgung in den ambulanten und stationären Vergütungssystemen zur Verfügung stehenden Finanzmittel sei zu veranlassen, auch durch sektorenübergreifende Finanzierung und Versorgung. Dieses werde sicher auch eines der Themen sein, das die deutsche Ärzteschaft in naher Zukunft an die absehbare Jamaika-Koalition in Berlin herantragen werde.

Autor: Jörg Blume

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