Fragen und Antworten zum Abriss und Neubau

1. Welches Problem bestand mit dem alten Ärztehaus?

Das im Jahr 1966 erbaute Ärztehaus wies, anders als die später errichteten umliegenden Gebäude am Standort Berliner Allee, eine immense Grundwasserproblematik auf. Diese äußerte sich durch eintretendes Grundwasser an mehreren Stellen des Gebäudes, da beim Bau keine Abdichtung des Fundaments mit einer sogenannten "weißen Wanne" vorgenommen worden war. Aufgrund des über die Jahre in Hannover angestiegenen Grundwasserspiegels mussten zuletzt 15 Pumpanlagen dauerhaft betrieben werden, um das beständig eindringende Grundwasser aus dem Gebäude zu entfernen. Eine Messung des Grundwasserpegels im Ärztehaus hat damals ergeben, dass der Heizungskeller als tiefster Punkt des Gebäudes circa 60 Zentimeter und die übrigen Kellerbereiche circa 25 Zentimeter im Grundwasser standen.

Darüber hinaus hatten Sachverständigengutachten offenbart, dass im Gebäude der Ärztekammer die seinerzeit üblichen Schadstoffe verbaut wurden. Dazu zählten vor allem asbesthaltiger Faserzement (unter anderem das Material der Lüftungskanäle), künstliche Mineralfasern und diverse, inzwischen verbotene Lösungsmittel als Bestandteil der verwendeten Farben und Lacke. Des Weiteren wurden im Rahmen von Renovierungsmaßnahmen erhebliche Mängel im Brandschutz des Gebäudes festgestellt. Sie zu beheben, hätte aufwendige Sanierungsarbeiten nach sich gezogen, die aufgrund der Schadstoffbelastung eine zwischenzeitliche Räumung des Gebäudes erforderlich gemacht hätten.

2. Wie ist die Ärztekammer auf die Problematik aufmerksam geworden?

Im Rahmen der Renovierung von Betriebskantine und Küche nach einem Wasserschaden wurden im Sommer 2015 die massiven Brandschutzmängel aufgedeckt. Anfang 2016 beschloss der Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen daher, die Gebäudesituation insgesamt durch externe Sachverständige bewerten zu lassen. Ziel dieser Begutachtung war es, die Kosten zur Behebung aller Mängel am Ärztehaus zu ermitteln, um die nötigen Instandsetzungsrücklagen einplanen zu können. Dies muss gemäß einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 (Az.10C6.15) geschehen, demzufolge Körperschaften des öffentlichen Rechts angehalten sind, ihre Rücklagen aufgrund einer validen empirischen Grundlage zu bilden. Im Zuge der gutachterlichen Untersuchungen wurden unter anderem die verbauten Schadstoffe sowie die Grundsubstanz des Betons des kompletten Ärztehauses ermittelt.

3. Ist die Problematik auf mangelndes Immobilienmanagement in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen?

Nein. Die Probleme des Gebäudes fallen mit Ausnahme des Grundwassers alle in die Kategorie "verdeckte Mängel". Die Problematik mit dem aufsteigenden Grundwasser hatte sich mit den Jahren deutlich verschlimmert, was auf den – auch behördlich festgestellten – Anstieg des Grundwasserspiegels am Standort zurückzuführen ist. Zur Abwehr wurde konsequent in Pumpanlagen investiert. Derartige Maßnahmen können allerdings nur in einem begrenzten Rahmen eingesetzt werden, weil sie das Problem des steigenden Grundwasserspiegels nicht lösen können.

4. Haben in der Vergangenheit regelmäßige Renovierungs-und Sanierungsmaßnahmen stattgefunden?

Ja. Die einzelnen Bereiche des Gebäudes sind regelmäßig renoviert worden. Wenn Probleme aufgetreten sind, fanden auch Sanierungsmaßnahmen statt.

5. Hätten hierdurch die in den Jahren 2015 und 2016 festgestellten Baumängel behoben werden können?

Nein. Die aus heutiger Sicht gesundheitlich bedenklichen Baustoffe hätten nur im Rahmen einer kompletten Räumung des Gebäudes ausgetauscht werden können. Die übrigen Baumängel, insbesondere die Schädigung der Bausubstanz im Untergeschoss durch das Grundwasser, sind nur durch Materialproben erkennbar geworden, die Sachverständige untersucht haben.

6. Welche Maßnahmen hat die Ärztekammer nach Bekanntwerden der Mängel ergriffen?

Die Ärztekammer schaltete externe Gutachter ein, die sorgfältige Sachstandsanalysen vornahmen. Basierend auf diesen Analysen entwickelten die Gutachter Handlungsoptionen und führten Folgeabschätzungen durch. Zur Debatte standen die Kernsanierung des "alten" Ärztehauses an der Berliner Allee, der dauerhafte Umzug der Ärztekammer Niedersachsen in eine Mietimmobilie sowie der Neubau – entweder am Standort Berliner Allee oder auch "auf der grünen Wiese". In einer Machbarkeitsstudie wurden die verschiedenen Szenarien einander gegenübergestellt und die Empfehlung lautete ganz klar: Neubau – am jetzigen oder einem anderen Standort.

6.1 Szenario A: Verbleib am Standort Berliner Allee - Sanierung vs. Neubau

Im Zuge der Machbarkeitsstudie wurden sowohl eine Teil- als auch eine komplette Kernsanierung geprüft. Eine Teilsanierung hätte nur einen Teil der bestehenden Probleme der Bausubstanz lösen können und schied außerdem aufgrund der Schadstoffbelastung aus. Bei einer Kernsanierung hätte die Ärztekammer das Gebäude für die Maßnahmen räumen müssen, um gesundheitliche Gefährdungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gäste des Hauses zu vermeiden. Die Gutachter kamen schließlich zu dem Ergebnis, dass sich die Grundwasserproblematik des fast 50 Jahre alten Gebäudes nicht wirtschaftlich durch eine Sanierung beheben ließe. „Die Kostenschätzung hat ergeben, dass die Kosten für eine Kernsanierung […] denen eines Abbruchs und Neubaus nahezu gleich sind“, heißt es dazu in der Machbarkeitsstudie. 

6.2 Szenario B: Standortwechsel - Mietimmobilie vs. Neubau "auf der grünen Wiese"

Auch ein Standortwechsel wurde in Betracht gezogen. Eine maklergestützte Marktsondierung von verfügbaren Grundstücks- beziehungsweise Büroflächen außerhalb des Standorts Berliner Allee verlief jedoch erfolglos: Es fand sich kein Mietobjekt, das die Anforderungen der Ärztekammer langfristig hätte erfüllen können. Eine Mietlösung wäre zudem auf Dauer deutlich teurer gewesen als ein Neubau. Auch war kein anderes Baugrundstück für einen alternativen Standort zentrumsnah oder mit guter Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr zu finden. Alle befragten externen Experten für Gewerbeimmobilien stimmten darin überein, dass es unwahrscheinlich sei, in absehbarer Zeit ein geeignetes Objekt zu finden.

7. Wie ist die Entscheidung zum Neubau am Standort Berliner Allee zustande gekommen?

Mit dem Start der Machbarkeitsstudie im August 2016 hat die Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen einen Bau-Beirat berufen. Diesem Gremium gehören neben dem ehrenamtlichen Vorstand der Ärztekammer Niedersachsen und weiteren Mitgliedern der Kammerversammlung die Geschäftsführung der Ärztekammer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem hausinternen Projektteam an.

Der Bau-Beirat definierte mit Hilfe eines externen Experten ein Anforderungsprofil hinsichtlich der Anzahl von Arbeitsplätzen, Konferenzräumen, Parkplätzen, Archivflächen und weiteren Erfordernissen. Auf dieser Basis hat die Machbarkeitsstudie die verschiedenen Optionen auf Wirtschaftlichkeit und Durchführbarkeit geprüft und miteinander verglichen. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass ein Neubau am Standort Berliner Allee die wirtschaftlichste und nachhaltigste Option darstelle. Der Bau-Beirat hat daraufhin in mehreren Sitzungen der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen alle Optionen erläutert und zur Diskussion gestellt. Die 60 Mitglieder des Ärzteparlaments haben diesen Prozess intensiv begleitet, sorgsam beraten und alle Schritte mit überwältigender Mehrheit und meist einstimmig beschlossen. So wurde in der Kammerversammlung am 14. Juni 2017 einstimmig der Startschuss für den Neubau gegeben und am 14. März 2018 ebenfalls einstimmig bei zwei Enthaltungen die Beauftragung des Berliner Generalplanerbüros "Grüntuch Ernst Architekten" beschlossen.

Für den Neubau am selben Standort mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Hannover der Ärztekammer Niedersachsen in die Interimsimmobilie in der Karl-Wiechert-Allee 18-22 umziehen. 

8. Woraus setzen sich die Kosten für den Neubau zusammen?

Die Kosten für den Neubau betragen aktuell 99,74 Millionen Euro. In den Baukosten sind die Kosten für den Tiefbau, den Rohbau, den Ausbau, die Technische Gebäudeausstattung, die Außenanlagen, die Möblierung sowie die Medientechnik enthalten. Die Baunebenkosten decken die Kosten für den Generalplaner, den Generalunternehmer, die Projektsteuerung, die Rechtsberatung, die Nachbarschaftsentflechtung, den Rückbau des Bestandsgebäudes inklusive der Schadstoffentsorgung sowie die Kosten für Gutachten und Gebühren ab.

Aufgrund der Entwicklung am Baumarkt und der damit einhergehenden ansteigenden Baumarktkonjunktur – und vor allem durch die kostensteigernden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie seit 2020 – war die Ärztekammer Niedersachsen gezwungen, den Budgetrahmen gegenüber den Festlegungen zu Baubeginn neu zu kalkulieren und anzupassen. Das Gesamtfinanzvolumen betrug beim Start 75 Millionen Euro und wurde von der Kammerversammlung am 14. März 2018 bei zwei Enthaltungen einstimmig angenommen. Am 25. September 2019 musste der Budgetrahmens auf 82,5 Millionen Euro erweitert werden, was die Delegierten einstimmig bei sieben Enthaltungen beschlossen. Im Frühjahr 2021 wurde es aufgrund noch nicht restlos eingepreister Posten und der allgemein durch die COVID-19-Pandemie weiter gestiegenen Baukosten zur Realisierung der Fertigstellung des Neubaus notwendig, den Handlungsrahmen abermals zu erweitern. Die Delegierten der Kammerversammlung beschlossen am 13. März 2021 mit einer großen Mehrheit bei je vier Gegenstimmen und Enthaltungen, das Baubudget zunächst auf 90 Millionen Euro zu erhöhen. Im weiteren Verlauf kam es zu erheblichen Kostensteigerungen, insbesondere bei lüftungstechnischen und elektronischen Bauteilen. Um den daraus entstandenen zusätzlichen Finanzierungsbedarf zu decken, wurde der Kammerversammlung am 17. Juli 2021 die Erhöhung des Baubudgets um 9,74 Millionen Euro auf zunächst 99,74 Millionen Euro empfohlen. Nach einer intensiven Debatte über die Kostenentwicklung des Bauprojekts stimmten die Delegierten der Kammerversammlung mit großer Mehrheit zu, bei nur zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.

9. Wie sieht die Finanzierung des neuen Ärztehauses aus?

Die Ärztekammer Niedersachsen hat verschiedene Modelle zur Finanzierung des Neubaus erwogen. Auf Antrag der Kammerversammlung wurde unter anderem geprüft, ob sich die Ärzteversorgung Niedersachsen im Rahmen eines Investorenmodells einbinden ließe. In diesem Fall hätte die Ärzteversorgung den Neubau der Immobilie übernommen und diese an die Ärztekammer vermietet. Der Verwaltungs- und der Aufsichtsausschuss der Ärzteversorgung hat dies aber abgelehnt. Da es sich bei der Ärzteversorgung um eine Einrichtung der ÄKN handelt, sei das Vorgehen nicht mit den Compliance-Regeln vereinbar.

Daher entschied die Kammerversammlung, dass die Ärztekammer Niedersachsen das Gebäude selbst baut und die Kosten über ein Darlehen finanziert. Um eine langfristig günstige Finanzierung zu sichern, muss die Ärztekammer allerdings einen adäquaten Eigenanteil aufbringen. Da die Rücklagen in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch Beitragsrabatte an die Mitglieder eingeschmolzen worden waren, wurde 2019 eine vorläufige Erhöhung der Mitgliedsbeiträge notwendig. Diese wurde in der Kammerversammlung am 24. November 2018 mehrheitlich – bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen – beschlossen.

10. Wie ist der Zeitplan für den Neubau?

Der vor dem Abriss erforderliche Rückbau inklusive Schadstoffentsorgung begann im Januar 2018, der Abriss selbst dann in den Bereichen mit abgeschlossener Schadstoffsanierung ab ca. März 2018. Der Rohbau konnte Anfang März 2021 abgeschlossen werden – nur knapp zwei Wochen später als im Ende 2019 aufgestellten Rahmenterminplan vorgesehen. Aktuell befindet sich das neue Gebäude im Innenausbau.

Der Bau ist gut vorangeschritten und weitgehend im Zeitplan. Fertigstellung und Bezug ist in der zweiten Jahreshälfte 2023 geplant. 

Am 24. November 2023 hat die Ärztekammer Niedersachsen ihren Neubau vom Generalunternehmer, der GP Papenburg Hochbau GmbH, übernommen. Der Umzug vom Übergangssitz der Kammer an der Karl-Wiechert-Allee in das neue Gebäude ist bis Weihnachten 2023 vorgesehen. 

Die feierliche Eröffnung des Neubaus ist für das Frühjahr 2024 geplant.

11. Welche Chancen ergeben sich aus dem Neubau?

Die Zentrale der Ärztekammer Niedersachsen – ein modernes Ärztehaus für die mehr als 45.000 Ärztinnen und Ärzte in Niedersachsen – ist nicht nur ein reines Verwaltungsgebäude mit Arbeitsplätzen für mindestens 155 Mitarbeitende. Das neue Ärztehaus wird auch eine Begegnungsstätte für die niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte in Form eines Seminar-, Konferenz- und Fortbildungszentrums sein, in dem jährlich 2.200 Seminare und mehr als 10.000 Prüfungen stattfinden. Außerdem beherbergt das neue Gebäude auch das sogenannte „Ärzteparlament“, die Kammerversammlung, deren 60 Mitglieder mindestens dreimal im Jahr mit weiteren 20 Teilnehmenden in Hannover zusammenkommen, um die Weichen für die Zukunft der niedersächsischen Ärzteschaft zu stellen.

Mit dem Neubau hat die ÄKN außerdem die Chance ergriffen, ein ökologisches und städtebauliches Statement zu setzen. Durch die graduelle Höhenstaffelung und die entsprechende Gliederung der Fassade fügt sich der große Baukörper sensibel und selbstbewusst in seine heterogene Umgebung ein. Die begrünten Dachflächen schaffen neben dem ökologischen Anspruch eine wohltuende Balance zwischen urbanem Leben und direktem Naturbezug.

Hannover, den 13. Juli 2021 – auf Basis der Fassungen vom 17. Juni 2021, 2. Oktober 2019, 14. Januar 2019, 18. November 2016 und 15. Februar 2017

Alle Angaben entsprechen dem derzeitigen Kenntnis-und Projektstand der Ärztekammer Niedersachsen

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